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#13 Zypern SPEZIAL: Wirksame Lösungen für die Migrationsfrage an den Grenzen Europas

Im Gespräch Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes NRW

17.04.2024 26 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Sonderfolge des Podcasts "Yiasas Adenauer" diskutiert Host Marian Wendt mit Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, über Migration und den Nahostkonflikt, insbesondere über die humanitäre Lage im Gazastreifen und die sich dadurch verstärkende Flüchtlingssituation. Liminski betont die Bedeutung europäischer Solidarität und lobt Zypern für seinen Beitrag zur Bewältigung der Situation. Gemeinsam diskutieren Wendt und Liminski Lösungen für die Flüchtlingsströme - u.a. gehen sie auf die sogenannte Drittstaaten-Lösung ein. 

In der Sonderfolge des Podcasts "Yiassas Adenauer" diskutiert Host Marian Wendt mit Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, über  Migration und den Nahostkonflikt, insbesondere die humanitäre Lage im Gazastreifen. Liminski betont die Bedeutung europäischer Solidarität und lobt Zypern für seinen Beitrag zur Bewältigung der Situation. Es wird die Notwendigkeit von Hilfeleistungen für die Opfer des Konflikts betont, sowie die Bedeutung einer politischen Lösung. Deutschland wird aufgefordert, seinen Beitrag zu leisten, insbesondere durch technisches Know-how, finanzielle Hilfe und organisatorische Fähigkeiten. Die Diskussion beinhaltet auch die logistischen Herausforderungen bei der Bereitstellung von Hilfsgütern für den Gazastreifen und die Rolle der internationalen Gemeinschaft bei der Sicherstellung dieser Hilfe. Es wird betont, dass langfristig eine politische Lösung erforderlich ist und dass Deutschland dauerhaft engagiert bleiben muss, um langfristige Lösungen zu erreichen. Die wachsende Zustimmung zu rechtsextremen Parteien aufgrund der Migrationsfrage wird thematisiert, wobei die Bedeutung einer sachlichen Debatte und Lösungsorientierung betont wird. Es wird auch die Herausforderung der steigenden Migration nach Zypern diskutiert und ein Drittstaaten-Modell als mögliche strukturelle Lösung vorgeschlagen, um geordnete Verfahren außerhalb der Europäischen Union zu organisieren. Es wird die Bedeutung einer nachhaltigen und anhaltenden Beschäftigung mit dem Thema betont, um langfristige Lösungen zu finden.

Transkript

Jassas Adenauer, der Podcast für Griechenland und die Region. Herzlich willkommen aus Zypern, liebe Hörerinnen und Hörer von Jassas Adenauer, der Podcast für Griechenland und die Region. Heute gibt es eine Sonderfolge mit Nathana Leminski. Aus Anlass der Situation im östlichen Mittenmeer senden wir diese Aufnahme direkt aus Zypern. Und hierzu am Mittwochmorgen begrüße ich ganz herzlich Nathana Leminski, den Minister und Chef der Staatskanzlei des Landes NRW, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, seit 2022 unter dem Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, davor bei Armin Laschet im Kabinett, Chef der Staatskanzlei. Schönen guten Morgen, lieber Nathan.
SPEAKER 2
00:00:53
Guten Morgen, lieber Marian, schön hier zu sein.
SPEAKER 1
00:00:55
Es freut mich auch, dass wir uns hier wieder sehen, an diesem Ort, wenn gleich der Anlass natürlich nicht ganz so erfreulich ist. Was bringt dich in die Region, was bringt dich hierher nach Zypern?
SPEAKER 2
00:01:05
Zypern hat vor kurzem ein SOS-Signal in Sachen Flucht abgesetzt, weil die Zahlen deutlich in die Höhe schnellen. Man kommt mit dem Migrationsaufkommen alleine nur noch schwer zurecht. Und deshalb ist es für mich eine Frage europäischer Solidarität, dann auch da zu sein, diesen Ruf auch zu hören, hinzufahren, selber die Dinge vor Ort in den Blick zu nehmen, zu reden, zuzuhören, um auch besser zu verstehen und dann auch in Deutschland besser vermitteln zu können. Und das ist das eine Thema Migration. Und das zweite Thema, was uns ja alle in diesen Tagen umtreibt, ist der Nahostkonflikt. Hier aus Zypern wird die humanitäre Lage im Gazastreifen bewältigt. Man versucht von hier aus zumindest alles, um das zu tun. Und auch um diesen Einsatz zu würdigen, bin ich hier.
SPEAKER 1
00:01:52
Du hast es angesprochen, die Situation im Gazastreifen. Nun ist es von Zypern, und wir waren ja gestern auch unterwegs im Gespräch mit der zypriotischen Seite, glaube ich, schwierig, natürlich jetzt eine Lösung herbeizureden. Das ist, glaube ich, auch nicht unsere Position und gerade auch als Bundesland natürlich eine besondere Aufgabe. Aber ich glaube, man kann ja erstmal Hilfe leisten, um grundlegende Sachen auch zu unterstützen, um dass die Menschen, die unter dieser Konfliktsituation leiden, die sie nicht immer auch zu verantworten haben, die aber als Menschen, glaube ich, einfacher da sind und leben sollen, dass die unterstützt werden sollen. Wie hast du wahrgenommen, was Zypern hier machen möchte? Und was könnten vielleicht auch gegebenenfalls deutsche Unterstützungen hier sein?
SPEAKER 2
00:02:33
Also zum einen ist es völlig klar, dass den Konflikt selber andere lösen müssen. Nordrhein-Westfalen steht klar an der Seite Israels, wenn es darum geht, dass Israel seine Existenz und Sicherheit verteidigt. Es ist mir ein Anliegen, das klar zu sagen. Wir haben das nach dem 7. Oktober gesagt und wir haben immer damals schon gesagt, das gilt auch für den Fall, dass Israel von seinem Verteidigungsrecht Gebrauch macht. Aber dabei muss natürlich darauf geachtet werden, die Opfer so gering wie möglich zu halten. Und vor allen Dingen verbietet es uns nicht, eine schwierige humanitäre Lage im Gazastreifen trotzdem beim Namen zu nennen, trotzdem in den Blick zu nehmen und natürlich auch in ihren Folgen so weit aufzufangen, wie uns das irgendwie möglich ist als internationale Gemeinschaft. Und hier aus Zypern wird wirklich in bemerkenswerter Weise dazu ein Beitrag geleistet. Ich fand gestern bei den Gesprächen am Hafen, aber auch mit den Behörden, die sich darum kümmern, was die Überwachung des See- und Luftraumes angeht, bemerkenswert, wie ein kleines Land mit etwa einer Million Einwohnern, wenn wir die Republik Zypern in den Blick nehmen, wie dieses Land aus dieser strategischen Position, in der es sich befindet, heraus seinen großen engagierten Beitrag leistet. Das tut Zypern nicht nur für sich selbst, sondern das tut Zypern auch für Europa stellvertretend und aus meiner Sicht sogar für die Weltgemeinschaft, die in Gaza engagiert ist. Und ich glaube, es muss uns darum gehen, wie du es gerade eben gesagt hast, die Folgen deshalb auch so weit aufzufangen, um eine politische Lösung zu erleichtern. Und ich glaube, hier kann Deutschland auch eine Menge zu beitragen. Wir sind in Deutschland traditionell, wenn es um den Einsatz von Waffen geht, zurückhaltend. Und ich glaube, dass uns diese politische Zurückhaltung im Einsatz von Waffen auch grundsätzlich gut zu Gesicht steht. Aber Deutschland hat eine Menge an Fähigkeiten, wenn es um technisches Know-how geht, Stichwort THW, wenn es auch um finanzielle Hilfe geht, wenn es darum geht, Dinge gut zu organisieren, die wir dann auch in eine solche schwierige internationale Lage einbringen können. Und dafür kommt man hier auf eine Menge Ideen, wenn man denn einmal vor Ort ist und mit denen spricht, die sich hier vor Ort darum kümmern, dass etwas angeschoben wird.
SPEAKER 1
00:04:37
Wir waren ja im Hafen von Lanarka gewesen, wir haben uns dieses Projekt angeschaut, der Hilfsbrücke, wir waren bei der Hilfsmission Open Arms gewesen. Und nun bauen die Amerikaner in einem System von einem Pier, von einem Hub im Mittelmeer, versuchen sie eine logistische Strecke im Endeffekt aufzubauen, um diese Hilfsgüter direkt in den Gaza-Streifen zu bekommen. Wie siehst du als Landesminister hier die Chancen auch zu unterstützen? Das sind ja nicht nur die Fragen des Baus des Piers, die Strecke von Zypern nach Gaza, sondern auch, dass diese Hilfsgüter und die ganze Logistik, die dann dahinter sich entwickeln müsste, dass die auch nach Zypern kommt. Denn alleine von der Insel kann man diese Sachen ja nicht besorgen. Wir sprechen hier von 900.000 Menschen, die in der Republik Zypern leben.
SPEAKER 2
00:05:20
Ja, es ist genau das. Das eine ist es, den Kanal zu legen, das andere ist es, ihn zu befüllen. Und da wird natürlich am Ende auch die Frage sein an die internationale Gemeinschaft, wie wir das für den Zeitraum, in dem es notwendig ist, sicherstellen. Das ist das eine. Und das andere ist natürlich, all die ganzen Folgen drumherum aufzufangen, logistische Fragestellungen, Fragestellungen von technischen Hilfsleistungen. Bei uns in Deutschland ist die Kompetenz dafür nicht nur die Zuständigkeit, sondern auch das Know-how ja über die Kommunen, Länder und den Bund verteilt. Das macht nicht alles nur der Bund. Und insofern glaube ich schon, dass man dann auch dabei darauf zurückgreifen wird, wo das Know-how ist. Und ich glaube, es ist gut, dass wir dazu dann auch bereitstehen. Wir können froh sein, dass die Amerikaner hier so engagiert vorangehen. Ich fand das beeindruckend, das Briefing durch den US-Militärattaché, der uns auch die technischen Details geschildert hat. Aber eben natürlich auch die ganzen Dinge, die zu bedenken sind. Man muss erst mal den politischen Rahmen herstellen. Man muss den Sicherheitsrahmen herstellen. Und dann erst kann man sich an die eigentliche Lösung dieser Herausforderung machen, nämlich die Versorgung in dem Maße sicherzustellen, dass eine politische, dauerhafte Lösung erleichtert wird. Es ist ja völlig klar, dass alles kann immer nur eine Brücke sein. Das kann kein dauerhafter Zustand sein. Es braucht auf Dauer dann auch eine Perspektive. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass das hier von Zypern aus organisiert wird, nah dran. Auch von einem Land sozusagen gehostet wird, was selber auch ein eigenes Interesse daran hat, dass hier in dieser Region wieder geordnete Zustände möglichst bald einkehren. Aber dafür ist es eben so gut, dass die Zyprioten sozusagen nicht nur um Hilfe rufen, sondern in dem Rahmen dessen, was sie können, das Gefäß bilden, den Rahmen herstellen, die Aufnahmekapazität sicherstellen. Wir haben das ja schon erlebt im Kontext von Evakuierungsmaßnahmen und anderen Situationen. Da ist es den Zyprioten gelungen, das, was sie hier an Infrastruktur haben, sehr schnell, sehr unkompliziert zur Verfügung zu stellen, etwa auch für unsere Bundeswehr. Und dafür sind wir dankbar. Und es ist wichtig, dass wir diese Dankbarkeit aber in solchen Momenten dann auch zum Ausdruck bringen. Das habe ich auch gemerkt bei meinen Gesprächen mit zybiotischen Stellen, sei es die Botschafterin in Deutschland oder der im Innenministerium gestern hier in Nikosia. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir dann eben auch vor Ort sind und das ins Wort bringen.
SPEAKER 1
00:07:42
Ich glaube, bei dem Thema Hilfsbrücke Zypern-Gaza sind sich alle relativ einig, da muss was gemacht werden. Da ist, glaube ich, auch die Bandbreite der Meinung relativ klein, sondern da ist klar, wir müssen hier ran, wir müssen unterstützen, wir müssen die humanitäre Lage sichern. Das ist ja ein Themenblock, für den Zypern aktuell sehr stark steht. Daneben haben wir natürlich die innere Situation auf Zypern selber, die Teilung, die de facto Teilung, die völkerrechtlich widrige Besetzung des Nordens, was ja immer auch in die Thematik mitschwingt. Und als dritter Block ist ja das große Thema Migration. Obwohl das ist angesprochen, Zypern steht vor einer großen Herausforderung. Die Zahl der Ankünfte von See ist im letzten Jahr um 355 Prozent gestiegen. Im ersten Quartal diesen Jahres sind wir auf einem Niveau, was den gesamten Ankünften des letzten Jahres entspricht. Und das sozusagen auf Deutschland umgerechnet könnte man sagen, dass ungefähr bis zu 7.000, 8.000 Menschen ankommen würden, wenn das in Deutschland wäre, die hier gerade aktuell über See aus Libanon ankommen. Nun ist die Frage, was tun in Deutschland? Ist ja auch in einer Situation, wo wir debattieren, ob wir nach unseren Integrationsgrenzen angekommen sind, an unserer Leistungsfähigkeit angekommen sind. Und da sozusagen die Frage erstmal, wie hast du wahrgenommen, vor welcher Situation Zypern selber steht?
SPEAKER 2
00:09:10
Die Dramatik ist in der Tat so, wie du sie gerade in Zahlen geschildert hast. Es ist so, dass Zypern deshalb ja dieses SOS-Signal abgesandt hat. Und wenn man da gestern mit den zuständigen Stellen spricht, mit den Militärs hier, dann bringen die einem das in nüchternen Fakten zur Kenntnis. Und sagen auch ganz klar, wenn das so weitergeht, wird es nicht so weitergehen können. Das ist für uns hier schlicht unmöglich von den Kapazitäten her. Das ist auch die Aussage aus dem Innenministerium. Und deshalb müssen wir das erstmal anerkennen. Und ich glaube, wir müssen es vor allen Dingen ernst nehmen. Und das ist ja etwas, was die Länder in Deutschland auch gegenüber der Bundesregierung immer wieder anbringen. Hendrik Wüst im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz schon seit vielen Monaten. Das ja absehbar ist, dass nach dem Winter die Zahlen wieder steigen werden. Und hinzu kommt jetzt noch die unsichere Lage hier im Nahen Osten, die natürlich diesen Effekt noch weiter befördert. Das war die Aussage gestern auch, dass man die Entwicklung ganz klar seit dem 7. Oktober für deutlich beschleunigt hält. Und insofern müssen wir uns darauf vorbereiten, dass das natürlich auch irgendwann bei uns ankommt. Und darauf auch unsere öffentliche Debatte vorbereiten, einen Umgang damit und vor allen Dingen Schlussfolgerungen ziehen. Und das war ja auch Gegenstand der Gespräche hier im Rahmen der Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung, die gut zusammengesetzt aus Vertretern aus dem Libanon, hier aus Zypern, aus Deutschland, eben genau das in den Blick genommen hat, wie sieht am Ende auch eine strukturelle Lösung für diese Frage aus. Das eine ist immer die Nothilfe und diese Akutmaßnahmen. Aber es muss uns ja gerade als Deutschland, gerade als das Kernzielland im Herzen Europas, darum gehen, dass wir zu einer strukturellen Lösung kommen. Die Union, Länder und Bund.
SPEAKER 1
00:11:01
Wie können strukturelle Lösungen aussehen?
SPEAKER 2
00:11:04
Die Union, sowohl aus den Ländern als auch aus der Bundestagsfraktion, schlägt dazu ein Drittstaatmodell vor. Das halten dann viele für inhuman oder manche deklarieren es so. Allerdings muss ich sagen, es wäre zumindest eine Lösung.
SPEAKER 1
00:11:20
Was ist das Drittstaatmodell?
SPEAKER 2
00:11:22
Das Drittstaatmodell ist sozusagen der Ansatz, dass wir Verfahren außerhalb der Europäischen Union organisieren, schlicht um den Anreiz zu setzen, dass man sich einem geordneten System unterwirft. Dass man einen Antrag stellt, dass man die Dinge so bearbeitet, dass Menschen sich nicht in die Gefahr begeben auf hoher See, in die Hände von Schleppern. Darum muss es uns ja gehen, dass wir es hinbekommen, dass Menschen, die unsere Hilfe brauchen, diese Hilfe auch bekommen. Momentan ist die Situation so, dass letztlich die Hilfe die bekommen, die sich durchsetzen können auf diesem Marsch Richtung Europa und die die entsprechenden Kontakte zu Schleppern und Schleusern haben. Beziehungsweise umgekehrt diejenigen, die von Schleppern und Schleusern dafür ausgesucht werden. Das kann kein Zustand sein, mit dem wir als Europa, mit dem wir als Deutschland auf Dauer zufrieden sind. Insofern sage ich jedem, der das Drittstaatenmodell infrage stellt, und man kann bei der Ausgestaltung viele Fragezeichen machen, beziehungsweise man muss dort viele Fragen beantworten. Aber wenn es keine bessere Antwort gibt, dann muss jeder auch eine Antwort auf die Frage finden, wie er das Sterben auf dem Mittelmeer beenden will. Dieser Zustand kann so nicht bleiben. Deswegen ist es gut, dass die Union sowohl in ihrem Grundsatzprogramm, aber auch im Europawahlprogramm, an dem ich mitwirken durfte, als auch im EVP-Programm, das kürzlich verabschiedet worden ist, sich jetzt an der Stelle auf allen Ebenen stark macht für einen solchen strukturierten Lösungsansatz.
SPEAKER 1
00:12:55
Glaubst du, dass dieser Ansatz erfolgreich sein kann? Haben wir darüber gesprochen. Glaubst du, dass er umsetzbar ist, in der Form, dass er auch eine Unterstützung, eine Mehrheit bekommt? Die Union ist ja im Bund nicht in der Bundesregierung. Das heißt, es braucht Partner. In der Bundesregierung, in den Bundesländern auch, die gemeinsam dann für diesen Ansatz werben, auch auf europäischer Ebene.
SPEAKER 2
00:13:20
Es steht uns damit sicherlich politisch eine schwierige Debatte ins Haus. Aber ich finde schon, dass, wenn man sich der Frage ernsthaft widmet, man am Ende auch eine Lösung anbieten muss. Und es sind ja nicht zuletzt oder immerhin auch renommierte Migrationsforscher wie Gerald Knaus, die dieses Modell favorisieren oder auch dafür werben. Und wir haben auch in der Vergangenheit Erfahrungen gemacht, dass es klappt. Letztlich ist das EU-Türkei-Abkommen nichts anderes als eine abgewandelte Form eines Drittstaatenmodells. Und wenn wir uns alle zurückerinnern, das war damals 2015 der erste Moment, in dem tatsächlich staatliche Maßnahmen, politische Entscheidungen überhaupt wieder gegriffen haben, wo die Menschen wieder die Erfahrung gemacht haben, wir können ja am Ende vielleicht die Zahlen tatsächlich runterbringen. Nicht als abstraktes Ziel, sondern um wieder überhaupt in die Lage zu kommen, diese Frage von Migration besser zu steuern und zu ordnen, was letztlich im Sinne aller ist. Nicht nur der aufnehmenden Länder, wo die Aufnahmebereitschaft und Kapazität natürlich auch sichergestellt werden muss, sondern letztlich auch im Sinne der Geflüchteten, die darauf angewiesen sind, dass diese Aufnahmebereitschaft dauerhaft da ist und die auch sicherlich besser damit fahren, wenn ihnen ein geordnetes Verfahren ermöglicht wird, wo sie wissen, wann was ansteht und sich nicht in Gefahr begeben. Und was die politische Realisierbarkeit angeht, wird das dann zu diskutieren sein. Aber ich glaube, gerade dann, wenn man einmal diesen Punkt herausarbeitet, dass es letztlich aus meiner Sicht deutlich humaner ist, ein solches System aufzustellen, als den Zustand so zu lassen, wie er ist, dann sehe ich in der politischen Mitte auch Mehrheiten dafür. Dafür sind allerdings Konferenzen wie diejenige der Konrad-Adenauer-Stiftung hier so wichtig, dass man eben vor Ort auch mit den Vertretern spricht. Ich werde Argumente mitnehmen können von Vertretern der Länder, die direkt betroffen sind von der Migration hier an der Grenze Europas. Und das sind Dinge, die man dann auch in diese Debatte einbringen kann. Das ist aber zweifellos ein dickes Brett.
SPEAKER 1
00:15:23
Wir haben ja eine Art, oder wir haben jetzt die Vereinbarung auf das GEAS, eine GEAS-Reform, die Gemeinsame Europäische Asylpolitik. Und es gibt ja bereits heute in Griechenland fünf Hotspots, direkt auf Inseln der GEAS. Zypern ist auch eine Insel. Hier wird ein Asylverfahren durchgeführt. Wir werden später noch eine Erstaufnahmeeinrichtung kennenlernen. Das heißt, es besteht ja theoretisch, technisch schon die Möglichkeit, zu sagen, an den EU-Außengrenzen, innerhalb der EU, findet ein Asylverfahren statt auf Inseln. Man kann dann sagen, wer Asyl bekommt, wer das Recht hat, geht weiter nach Europa. Und wer abgelehnt wird, weil er nicht schutzbedürftig ist, muss zurückgebracht werden. Und da ist ja immer diese Fragestellung, auch die große Herausforderung, vor der unser Land steht, Deutschland, die Frage der Rückführung. Und da schauen wir uns die Länder an, Afghanistan, die Herkunftsländer, also Afghanistan, Syrien, Sudan. Und sind wir, glaube ich, irgendwann bereit, auch zu überlegen, dass wir ab einem gewissen Punkt sagen, wir schicken zurück auch in diese Länder, der zypriotische Ministerpräsident Christoph Wulidis hat ja von sicheren Gebieten in Syrien gesprochen, wohin man auch Menschen zurückbringen kann, weil sie festgestellt haben, dass Syrer hier auch hin- und herreisen, zwischen Zypern und Syrien, zu Familienfeiern, zum Zahnarzt, etc. Wie gehen wir damit um? Weil letztlich müssen wir auch bei einem Drittstaatenlösung immer die Frage stellen, wie schaffen wir es, dass die Menschen dann in ihre Heimat wieder zurückgehen, weil sie anerkennen müssen, dass sie keinen Schutzgrund haben in der europäischen Union.
SPEAKER 2
00:16:57
Also erstmal, glaube ich, muss man sich vergegenwärtigen, dass bei einem Drittstaatenmodell es nicht so ist, dass man auf Dauer die Zahlen zu bewältigen hätte in einem solchen Verfahren, wie sie momentan sozusagen zutage treten, weil natürlich das klare Signal davon ausgeht, wenn du dich einfach nur auf den Weg machst, wirst du nicht durchkommen. Und das wird dann aus meiner Sicht zwangsläufig zu mehr Steuerung und Ordnung an der Stelle auch führen. Und insofern hat man eine erste Welle, wenn man so will, zu bewältigen. Aber danach kann das dann auch mittelfristig zu deutlich geringeren Zahlen führen. Nicht zu geringeren Zahlen von Menschen, die nach Europa kommen wollen, aber zu geringeren Zahlen von Menschen, die sich einfach nur auf den Weg machen. Zu der Frage der Rückführungen. Das ist ja eine, die uns als Länder auch massiv umtreibt. Da ist es tatsächlich am Ende entscheidend, dass die Herkunftsländer auch ihre Landsleute wieder aufnehmen. Und du hast es gesagt, wenn man sich die Liste der Länder anschaut, woher momentan die meisten Menschen kommen, dann sind das natürlich Länder, bei denen es schwierig ist, für uns politisch zu entsprechenden Abkommen zu kommen. Ich glaube, niemand will ernsthaft fordern, dass man mit der Regierung von Assad jetzt Verhandlungen führt. Das wäre eine diplomatische Anerkennung, die wir diesem Regime nicht zukommen lassen wollen. Aber wir werden uns natürlich mindestens bei den anderen Ländern Gedanken machen müssen, wie man hier zu Lösungen kommt oder auch den entsprechenden Druck aufbaut. Die Unionsländer haben dazu auch den Vorschlag gemacht, im Bereich der Hilfslieferungen und Hilfszahlungen anders Druck aufzubauen. Letztlich muss unser Ziel sein, tatsächlich in unserer direkten Nachbarschaft und darüber hinaus in den Kernherkunftsländern zu einer politischen Verständigung zu kommen, die verschiedene Dinge zusammenbringt. Von der Entwicklungshilfe über die wirtschaftliche Zusammenarbeit bis hin zum Thema Migration, darüber hinaus auch zum Handel. Das ist aber ein strategischer Ansatz, der es im Übrigen auch verlangt, dass Deutschland dauerhaft engagiert bleibt. Dass wir uns nicht immer nur dann melden, wenn wir gerade ein Problem haben oder mit unserem singulären Interesse für eine gewisse Zeit, sondern dass wir hier wissen, dass das dann darauf angewiesen ist, dass man in einem dauerhaften Austausch ist. Und der muss auch von der Bundesregierung in Gänze geführt werden. Da macht Joachim Stamp als Sonderbeauftragter tolle Arbeit. Aber wir wissen alle, wie es ist in Regierungen. Letztlich will man dort auch mit den Regierungen selber sprechen. Das ist auch eine Form der Anerkennung und des Respekts. Mit Blick auf die konkreten Rückführungen in Länder, die mindestens in Teilen unsicher sind, so ist das eine Diskussion, die ja immer wieder aufkommt, Hier auf Zypern wird sehr lautstark gefordert, dass man mindestens Teile von Syrien für sicher erklärt. Das ist für uns schwierig. Wir können als Länder an der Stelle nur auf die Einschätzung von Auswärtigem Amt und Innenministerium in Berlin zurückgreifen. Und die differenziert bisher nicht nach Regionen oder wenn dann nur sehr vereinzelt. Aber wenn die Situation länger so anhält, dann wird sich auch diese Frage stellen. Aus der Sicht der Zahlen ist alles andere nicht vermittelbar.
SPEAKER 1
00:20:11
Vielleicht als letzte Frage noch einen gewissen Ausblick. Das Thema Migration treibt die Menschen um. Auf Zypern, durch die steigenden Zahlen, gewinnen rechtsextreme Parteien an Zustimmung. Acht bis zehn Prozent aktuell hier in den Umfragen. In Griechenland ebenso, auch eine rechtsextreme Partei, die klar mit diesen Ängsten der Menschen spielt, die versucht, dadurch populistische Äußerungen gegen Migranten generell Stimmen zu gewinnen, wie mit den Ängsten auch spielt der Bevölkerung. Die liegt bei ungefähr zehn bis zwölf Prozent in Griechenland. Und natürlich auch in Deutschland gibt es eine entsprechende Partei, die nicht nur versucht, die leider auch erfolgreich ist in Teilen des Landes, Stimmen zu gewinnen mit dieser Angst vor der Überfremdung, vor dieser Masseneinwanderung, wie man das so bezeichnet. Wie können wir erreichen, dass Menschen aber sagen, wir sind hilfsoffen, wir geben Hilfe, die wir brauchen, aber wir schaffen es auch klar zu kommunizieren, dass wir nicht allen helfen können. Also ich glaube, was man hier in Griechenland hört und Zypern und in Deutschland oft so, ja, wir sind doch überfordert. Es geht gar nicht um die Frage, ob man hilft oder dass es fremde Menschen sind. Oft schaffen wir das, ob strukturell, systematisch, ist das nicht ein ganzes Chaos, weil in Griechenland ja auch der Anderswunsch zu Tages eingegriffen hat und da massiv entsprechend gearbeitet hat, dass die Struktur der Bewältigung dieser Migrationsströme einfach mal geordnet wird. Und das haben viele anerkannt. Was fehlt da noch im Deutschen? Ich sehe das so, es gibt fünf verschiedene Behörden, die mit allen mit Migranten arbeiten hier in Griechenland. Zypern gibt es hier als eigenes Ministerium, aber es gibt auch andere Behörden,
SPEAKER 2
00:22:00
die sich auch mit Migranten orchestriert und da auch einen entsprechenden Blick hat. Ich glaube, wir landen in Deutschland immer viel zu schnell in der Diskussion, bist du für oder gegen Ausländer und in so einer sehr moralienhaltigen Debatte. Und wir müssen einfach anerkennen, dieses Thema Migration wird uns längerfristig beschäftigen. Und das heißt, wir müssen als Politik, und dafür muss diese Frage auch einer sachlichen Debatte zugeführt werden, die natürlich auch Probleme beim Namen nennt. Da ist es mir besonders wichtig, dass wir aus der politischen Mitte heraus diese Probleme, die ja offenkundig sind beim Namen nennen und dann aber auch Lösungen dafür anbieten. Wir alle wissen, dass radikale und extreme Parteien gar kein Interesse daran haben, das Problem zu lösen, sondern alleine mit den Ängsten und der Wut wirtschaften wollen. Deswegen müssen wir als Parteien der politischen Mitte, wie der Ministerpräsident Hendrik Wüst es einmal gesagt hat, eine Allianz der Mitte bilden bei diesem Thema und dann auch zu Antworten kommen, wo wahrscheinlich jeder sich bewegen muss, auch von den Parteiprogrammen her gesehen. Aber vor allen Dingen, die dann auch längerfristig hält, die auch europäisch eingeordnet ist. Wir müssen auch an der Stelle uns ein bisschen stärker davon verabschieden, dass wir sozusagen am deutschen Weg alle genesen sollen. Und wir da die einzigselig machende Antwort haben. Diese Frage ist zweifellos nur europäisch zu organisieren. Aber damit sind eben Fragen von Zuständigkeiten, Prozessen, rechtliche Fragen verbunden. Und es muss in unser aller Interesse sein, das sehr entschlossen anzugehen, weil sonst die Bereitschaft derer, die es vor Ort entweder organisieren wollen oder müssen, schwinden wird. Wenn Sie mit Bürgermeistern und Bürgermeistern mal sprechen, dann stellt man fest, die wollen ja alle helfen. Ein Bürgermeister möchte das vor Ort lösen, seine Aufgaben bei Unterbringung, Versorgung, Beschulung, Betreuung, Integration. Und wir haben immer noch ein bemerkenswertes zivilgesellschaftliches Engagement im Bereich der Flüchtlingsarbeit. Aber ich nehme eben auch wahr, im Gespräch zu Hause mit diesen Flüchtlingshelfern, dass sie sich mitunter auch von der Politik alleingelassen fühlen, weil es schlicht zu viel wird. Und wenn wir den Maßstab einmal ansetzen, wie können wir den Menschen am besten gerecht werden, dann ist das einer, der uns enthebt von dieser moralischen Debatte, wenn wir einfach mal einander zugestehen, dass alle eigentlich doch den Menschen, die unsere Hilfe brauchen, gerecht werden wollen. Wenn wir das einander einfach alle mal unterstellen und uns dann der Frage widmen, wie organisieren wir das am besten? In Fragen von Organisation. Und vielleicht sogar einen Beitrag leisten, dass wir hier nicht nur in Deutschland, sondern auch Europa, vielleicht sogar weltweit zu besseren Lösungen kommen. Dafür muss man allerdings auch mutig sein. Die Zeiten jedenfalls, wo man das Thema wegschwurbeln kann oder darauf hoffen kann, dass der nächste Winter bald kommt, die Zahlen runtergehen und wie von Zauberhand nie mehr wieder hoch, die sind vorbei. Wichtig an der Stelle, da innerlich auch sozusagen die Hürde zu überwinden, so konjunkturell sich mit dem Thema zu beschäftigen, sondern anhaltend, andauernd, ausdauernd zu Lösungen zu kommen. Ich glaube, der nachhaltige Ansatz ist sehr, sehr entscheidend.
SPEAKER 1
00:25:19
Griechenland und Zypern würden das begrüßen, gerade auch vor dem Hinblick, dass die Zahlen steigen werden. Das ist die Erkenntnis auch der letzten Tage. Für deinen Einsatz dafür, für dein Engagement und für dein Kommen hier nach Zypern und in die Region einen ganz herzlichen Dank. Das war unsere Sonderfolge mit Nathanael Leminski zur Situation in Zypern und im östlichen Mittelmeer. Vielen Dank, alles Gute, gute Rückreise nach Deutschland. Jassas.
SPEAKER 2
00:25:49
Danke lieber Marianne für die Organisation.
SPEAKER 1
00:26:04
Untertitel der Amara.org-Community

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