#19 „Wir brauchen einen europäischen Binnenmarkt für Strom und Energie“
Gespräch mit Peter Altmaier - Ehemaliger Bundeswirtschaftsminister
15.09.2024 30 min Marian Wendt
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser Episode von "Yiasas Adenauer" spricht Host Marian Wendt mit dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier über seine Eindrücke von der Thessaloniki International Fair (TIF), Deutschlands Rolle als Gastland und die Chancen der deutsch-griechischen Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich erneuerbarer Energien. Es wird über die Herausforderungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nach der Eurokrise diskutiert sowie über den Energiewandel in Europa. Altmaier teilt außerdem persönliche Einblicke in seine langjährige Verbundenheit mit Griechenland und verrät seine Lieblingsinsel.
Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Rolle der deutsch-griechischen Zusammenarbeit bei der Förderung der Energiewende und der wirtschaftlichen Entwicklung beider Länder. Altmaier betont, wie wichtig diese Partnerschaft für Innovationen und den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft ist.
Zudem werfen wir einen Blick auf die Debatte über den Klimawandel und vergleichen die Herausforderungen und Strategien in Deutschland und Griechenland. Welche Fortschritte wurden gemacht, und welche Hürden gilt es zu überwinden?
Ein spannendes Gespräch über die wirtschaftliche und ökologische Zukunft Europas und die zentrale Rolle der griechisch-deutschen Kooperation.
Viel Spaß beim Zuhören! 🎧
Transkript
Yassas Adenauer, der Podcast für Griechenland und die Region.
Kalimera, Kalimera aus Thessaloniki. Marian, diesmal ...
Aus einer besonderen Stadt und eine besondere Podcast-Folge.
Und Ihnen ein herzliches Willkommen zu Yassas Adenauer, der Podcast für Griechenland und der Region.
Ja, Olga, warum sind wir denn in Thessaloniki?
Ah, schon die ganze Woche, Marian. Und zwar hat das letzte Woche schon begonnen mit der Fachmesse in Thessaloniki,
wo dieses Jahr das Gastland Deutschland ist.
Ja.
Und wir sind hier vor Ort mit unserem Stand gewesen.
Und wir haben uns präsentiert, genauso wie 130 andere Aussteller in Deutschland,
in der größten Messehalle, die Thessaloniki und damit Griechenland zu bieten hat.
Und ich glaube, wir können schon ein bisschen mit Stolz sagen, das hat uns froh gemacht.
Und das war wirklich ein schöner Auftritt hier in Thessaloniki.
Ja.
Und es waren sehr viele Leute bei uns und deswegen hat auch meine Stimme ein wenig gelitten, wie man vielleicht hört.
Aber es hat sich wirklich gelohnt, Olga.
Ja, ein sehr guter Grund gewesen.
Die Ergebnisse dieser Messe werden Sie hören in den Nachrichten.
Die Olga wird ein paar Themen vorstellen, die der Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis in seiner Rede zu ELADA 2027 präsentiert hat.
Und als Gast haben wir Peter Altmaier, der direkt nach einer Veranstaltung und Diskussionsrunde zu den Erneuerbaren Energien zu uns gekommen ist
und wir mit ihm ein Interview für diesen Podcast geführt haben.
Und wir freuen uns natürlich, Marian, auf was? Auf die neue Saison, die bei uns begonnen hat.
Genau. Nach dem Sommer geht es nämlich für uns wieder los mit neuen Podcast-Folgen, mit viel politischer Arbeit und darauf können Sie gespannt sein.
Nicht nur auf diese Folge, sondern auch das, was da kommt.
Jetzt aber zunächst die Nachrichten mit der Olga.
Machtkampf in Griechenlands Oppositionspartei Syriza. Parteichef Kasselakis abgewählt.
Der interne Machtkampf in der größten Oppositionspartei Griechenlands, dem Bündnis der radikalen Linken Syriza,
hat seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Auf einer turbulenten Sitzung des Zentralkomitees am vergangenen Wochenende wurde dem Parteivorsitzenden Kasselakis das Vertrauen entzogen.
Eine wachsende Zahl von parteiinternen Kritikern warf Kasselakis zunehmend autoritäres Verhalten vor,
seit er vor einem Jahr durch eine Mitgliederwahl an die Parteispitze gelandet war.
Mit 163 Stimmen gegen 120 fiel das Misstrauensvotum deutlich aus.
Der politische Abstieg des 36-jährigen Quereinsteigers, der zuvor in den USA in der Privatwirtschaft tätig war,
beschleunigte sich nach dem enttäuschenden Abschneiden der Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament.
Das Zentralkomitee wird nun ein Datum für einen außerordentlichen Parteikongress festlegen,
der binnen drei Monaten über die personelle Neuausrichtung der Partei entscheiden soll.
Die Parteisatzung sieht vor, dass der neue Vorsitz durch eine Urwahl der Mitglieder bestimmt wird.
Ob Kasselakis erneut kandidieren wird, ließ er bisher offen.
Mitsotakis präsentiert umfassendes Maßnahmenpaket zur Entlastung der Bürger.
Griechenlands Premierminister Mitsotakis hat zum Auftakt der 88. Internationalen Messe von Thessaloniki
die Prioritäten seiner Regierung für die verbleibenden Jahre der Legislaturperiode bis 2027 vorgestellt.
Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Lebenshaltungskosten
und zur sozialen Unterstützung der Bevölkerung.
Mitsotakis betonte, dass Griechenland den neuen finanzpolitischen Rahmen der EU strikt einhalten werde.
Die Gesamtkosten des angekündigten Maßnahmenpakets belaufen sich auf 3,8 Milliarden Euro,
von denen 2 Milliarden Euro bereits im regulären Haushalt eingeplant sind.
Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge um 1 Prozent ab 2025
sowie Rentenerhöhungen zwischen 2,2 und 2,5 Prozent für über zwei Millionen Rentner.
Außerdem plant die Regierung, den gesetzlichen Mindestlohn bis April 2027 von derzeit 830 auf 950 Euro anzuheben.
Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen schrittweise Gehaltserhöhungen eingeführt werden
und für Ärzte in abgelegenen Regionen sind finanzielle Anreize vorgesehen,
Um der wachsenden Wohnungsnot zu begegnen, will die Regierung zudem das Wohnungsbauprogramm für junge Paare ausbauen.
Und das war die Nachrichten hier aus Griechenland mit speziellen Nachrichten natürlich von der TIFF.
Hier bei mir jetzt in der Nähe von der TIFF habe ich zum Interview getroffen, oder ich treffe ihn gerade natürlich,
Peter Altmaier, vielen von euch, vier von ihnen sehr bekannt.
Er ist seit 27 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestages für das Saarland.
Er war Bundesminister für Umwelt, für Wirtschaft, für Energie und auch Kanzleramtsminister unter Angela Merkel.
Lieber Peter, schön, dass du dir die Zeit genommen hast, hier bei mir im Podcast zu sein.
Ja, ich bin immer wieder gerne in Griechenland, sei es in Athen, sei es in Thessaloniki.
Dieses Land hat ja sehr, sehr viele Erschütterungen durchmachen müssen.
Aber in den letzten Jahren ist Griechenland eine Erfolgsstory geworden.
Es geht aufwärts mit der Wirtschaft, das internationale Vertrauen ist wiedergewonnen.
Und da macht es natürlich Spaß, mit den griechischen Freunden vor Ort zu diskutieren und sich auszutauschen.
Ja, ich glaube, diesen Eindruck hast du auch gewonnen, als wir jetzt auch über die Messe gegangen sind.
Leute kommen auf dich zu, man spricht miteinander.
Vielleicht so, wie ist denn dein Eindruck von dieser Messe?
Deutschland ist ja das Gastland mit einer eigenen Messehalle, 6.000 Quadratmeter.
Die größte Messeauftritt Deutschlands außerhalb der Bundesrepublik in den letzten 25 Jahren.
Was ist dein Gefühl? Was hast du mitgenommen bisher?
Also, es ist natürlich, wenn man an einem Nachmittag einschneit, nicht möglich, einen kompletten Eindruck zu gewinnen.
Aber ich weiß ja, dass diese Messe sehr groß ist.
Hier hat mich heute beeindruckt, dass sehr viele Deutsche, vor allen Dingen mittelständische Unternehmer, präsent sind.
Viele von denen haben mich angesprochen und dann ist mir aufgefallen, bei einigen Ständen, wo ich war,
dass sowohl deutsche wie auch griechische Unternehmer sich zusammengeschlossen haben,
gemeinsam Geschäftsmodelle entwickeln und das gilt insbesondere auch für den Bereich des Mittelstandes,
für den Bereich der erneuerbaren Energien und für den Bereich der Energiewende.
Damit sind wir auch bei einem wichtigen Thema, nämlich, wie kann man zusammenarbeiten?
Das ist die große Herausforderung, die wir immer haben im deutsch-griechischen Verhältnis.
Das wissen alle, die sich ein bisschen auskennen, auch du, du hast ja als griechisch auch studiert.
Das deutsch-griechische Verhältnis ist ja besonders, es ist auch belastet, es ist schwierig.
Die Folgen des Zweiten Weltkrieges, es wurde wieder ein gewisser, ich will nicht sagen Hass,
aber es gab viele Menschen auch in Griechenland, die unzufrieden waren auf Deutschland.
Das wissen wir aus Umfragen und das hat natürlich wieder eine Renaissance vielleicht erlebt,
durch die Staatsschuldenkrise, wo auf der einen Seite in Deutschland, in Griechenland,
auf der anderen Seite auch mit viel Emotionalität viele Brücken abgebaut wurden.
Und jetzt geht es darum, auf dieser Messe natürlich diese Brücken wieder zu stärken, aufzubauen.
Was würdest du sagen, könnten Säulen sein, damit aus wirtschaftlicher Sicht,
vielleicht beginnen wir da, einfach wieder dieses Verhältnis, dieses Vertrauen besser wird
zwischen Deutschland und Griechenland?
Also trotz aller Missverständnisse und auch Fehler in der Vergangenheit,
wir verfügen über eine sehr gute Basis für eine griechisch-deutsche, deutsch-griechische Zusammenarbeit.
Es haben ganz viele Tausende, Zehntausende junge Wissenschaftler aus Griechenland in Deutschland studiert.
Es haben Millionen von Deutschen Urlaub gemacht in Griechenland,
weil das Wetter eben besser ist als bei uns und die kulturellen Sehenswürdigkeiten manchmal sehr eindrucksvoll.
Es gibt Zusammenarbeit und Bekanntschaften über die Gastarbeiter aus Griechenland,
die seit den 50er Jahren in großer Zahl gekommen sind.
Viele haben Restaurants eröffnet.
Die Kinder sind zum Teil zweisprachig und zweinational aufgewachsen.
Sie fühlen sich als Griechen und als Deutsche gleichermaßen.
Das ist eine exzellente Basis für eine gemeinsame Zukunft.
Dazu gehört allerdings auch, dass wir uns freimachen von Gefühlen der Überlegenheit oder der Bevormundung.
Dass wir anerkennen, welche enormen intellektuellen Leistungen Griechenland in den letzten Jahrzehnten
auch immer noch unter Beweis stellt bis heute.
Viele der berühmten deutschen Professoren für Rechtswissenschaft oder Medizin sind griechischer Herkunft.
Viele gesellschaftliche Debatten haben hier in Griechenland Ausgang und Bereicherung empfunden.
Nun müssen wir das füllen mit konkreten Inhalten.
Deshalb war ich sehr froh, dass in Griechenland eine ernsthafte Diskussion über erneuerbare Energien und Energietransformation beginnt.
Griechenland war nicht bei den ersten Ländern, wenn es um den Ausbau von Windanlagen und Photovoltaik ging.
Griechenland hatte andere Interessensschwerpunkte, andere Arbeitsschwerpunkte.
Aber es hat sich etwas geändert. Heute kommen etwa 16% des griechischen Stroms bereits aus erneuerbaren Energien.
Das ist immer noch weniger als in Deutschland, aber sehr viel mehr als vor einigen Jahren.
Da gibt es nun die Möglichkeit der Zusammenarbeit und des Austausches.
Zum einen, wenn es darum geht, dass wir einen wirklichen europäischen Energie- und Strombinnenmarkt schaffen.
Die Dekarbonisierung der Strom- und Energieerzeugung wird für alle erschwinglicher und bezahlbarer, wenn wir sie europäisch gestalten.
Weil wir dann im großen europäischen Rahmen Synergieeffekte nutzen können, sowohl bei der Stromerzeugung als auch beim Stromtransport.
Das reicht von Norwegen bis nach Griechenland, von Spanien bis nach Polen.
Hier gibt es sehr viele Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu heben.
Ich habe einige Unternehmen getroffen, die zum Beispiel daran arbeiten, Wärme aus überflüssigem Solarstrom bei sehr hohen Temperaturen zu speichern,
um ihn dann wieder erneut herzustellen, wenn weniger Sonne und weniger Wind vorhanden sind.
Das alles wird auch in Deutschland gedacht und geforscht.
Und dann müssen wir die zuständigen Stakeholder, die Beteiligten zusammenbringen.
Die Regierungen müssen sich kümmern.
Deshalb war es gut, dass der Bundesminister Robert Habeck hier vor Ort war.
Ich bin überzeugt, er hat auch sehr gute Gespräche geführt.
Und ich habe mit meinen griechischen Freunden und früheren Kollegen gesprochen.
Aber ich habe mich auch sehr gefreut über die Reaktionen sehr vieler deutscher Aussteller bei dieser Messe,
die ganz unkompliziert auf mich zugekommen sind und sich gefreut haben,
dass sie mich nach zweieinhalb Jahren Ruhestand wieder einmal vor Ort gesehen haben.
Das hat mich motiviert und deshalb komme ich immer wieder gerne zurück.
Das ist schön zu hören und ich fand auch heute eine Zahl interessant.
Wir haben ja die Umfrage präsentiert mit unserem Partner IOW.
Was denken die Griechen über die Erneuerbare Energien, über den Energiewandel, über den Klimawandel und all diese Dinge, die jetzt auch zu tun sind.
Und 90 Prozent der Griechen sehen den Klimawandel als Bedrohung an, wo wir etwas aktiv tun müssen.
Und fast eine genauso große Zahl, ein bisschen weniger, treten auch dafür ein, Erneuerbare Energien zu nutzen,
diese als elementares Element zu sehen, um dem Klimawandel, den Menschen gemacht haben, auch ein wenig Einheit zu bieten.
Diese Zahlen sind im Vergleich zu Deutschland viel höher.
Und in Deutschland habe ich auch den Eindruck, ist die Debatte sehr vergiftet.
Was ich in Griechenland feststelle, ist, es gibt keine gesellschaftliche Auseinandersetzung oder Polarisierung.
Gibt es den Klimawandel überhaupt? Was tun wir mit Erneuerbaren Energien?
Und es ist eher so, dass es eher um das Wie geht, nicht um das Ob.
Und vielleicht die Frage, was kann man mit nach Deutschland nehmen, um diese Debatte, um die Energietransition ein bisschen zu versachlichen,
vielleicht ein bisschen zu beruhigen, auch damit man das dann auch europäisch umsetzen kann.
Ja, also ich glaube, man muss einfach sehen, dass wir zu unterschiedlichen Zeiten mit diesen Debatten begonnen haben.
In Deutschland sind es vor allen Dingen die populistischen Parteien am rechten und linken Rand,
also insbesondere die AfD und BSW, die zum Teil mit hanebüchenen und falschen Argumenten den Klimawandel infrage stellen
und die Transition bekämpfen. Das muss in Deutschland gelöst werden.
Da müssen wir diskutieren. Wir hatten vor der letzten Bundestagswahl im Sommer 2021
nach einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts die einmalige Situation,
dass das neue Klimaschutzgesetz von CDU, CSU, SPD und den Grünen gemeinsam getragen worden ist.
Das ist zunächst einmal ähnlich positiv wie die Stimmung hier in Griechenland.
Allerdings haben viele Menschen auch den Eindruck gewonnen in Deutschland,
dass der Staat und die Gesellschaft sie alleine lassen bei der Bewältigung der Folgen von Klimawandel.
Wir müssen nämlich sehen, dass im Zusammenhang mit der russischen Invasion der Ukraine,
im Zusammenhang auch mit dem sehr schnellen notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien,
höhere Kosten angefallen sind bei Elektrizität, bei Gebäudeheizung, bei Individualverkehr und Straßenverkehr.
Und das ist für Menschen, die von der Inflation ohnehin schon gebeutelt sind, eine große Herausforderung.
Und deshalb ist zunächst einmal mein Rat an die griechischen Kolleginnen und Kollegen,
dass sie diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen und dass sie sich daran machen,
die Fragen und die Sorgen der Bürger frühzeitig aufzugreifen.
Das müssen wir in Deutschland auch nachholen.
Es muss eine Sicherheit geben, dass jemand, der sein Leben lang hart gearbeitet hat,
der sich Wohneigentum erarbeitet hat, der dafür gesorgt hat, dass seine Kinder ordentlich im Beruf angekommen sind,
dass der am Ende sich nicht die Frage stellen muss, ob das mit der Rente am Monatsende noch reicht,
aufgrund gestiegener Kosten in vielen Bereichen.
Zweitens, wir können natürlich von den Griechen lernen, dass es immer auch wichtig ist,
bei aller Anerkenntnis von Problemen und Herausforderungen den Optimismus und den Mut nicht zu verlieren.
Ich habe gesehen, wie entschlossen die Griechen nach der letzten Euro-Krise
angefangen haben, sich aus der doch ziemlich vertragten Situation mit eigener Kraft in Porto zu arbeiten,
natürlich auch mit Hilfe aus Brüssel und von der EU.
Aber die Opfer sind ja gebracht worden hier von der Zivilbevölkerung.
Und die Menschen haben sich vorgenommen, zu verhindern, dass so eine Situation wieder eintritt.
Und die Erfolge sprechen für sich.
Und das können wir auch in Deutschland schaffen.
Wir müssen natürlich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie erhalten.
Das ist das A und das O, damit wir uns solche Reformen auch erfolgreich stellen können.
Und wir müssen dafür sorgen, dass die internationalen Beteiligten, insbesondere in Asien, in China,
dass sie sehen, dass wir es in Europa mit der Energiewende ernst meinen,
weil nur dann der Elan auch in diesen Ländern erhalten bleibt.
Du hast gerade die Euro-Krise angesprochen und das ist ein Thema,
das auch auf der Messe überall noch bestimmend ist.
Die Staatsschuldenkrise vielleicht, die dann zu einer Euro-Krise auch führte,
von vor über zehn Jahren, das hat das deutsch-griechische Verhältnis Staat belastet.
Du warst damals als parlamentarischer Geschäftsführer, als Minister unter Angela Merkel,
Kanzleramtsminister immer sehr eng bei allen Prozessen mit dabei.
Würdest du sagen, wir haben damals alles richtig gemacht?
Die Entscheidungen von vor zehn, 14 Jahren waren genau die richtigen
und es ist jetzt zum Glück so eingetroffen, wie wir es gehofft hatten,
nämlich dass sich die griechische Wirtschaft, dass sich das Land reformiert,
dass man die Chance nutzt, dass man den Atem hat, um dann quasi gestärkt aus dieser Krise heraus zu gehen,
weil man die Ursachen, die ja für diese Staatsschuldenkrise in Griechenland auch ursächlich waren, beseitigt hat?
Also zum einen, ich kenne kein Land, in dem keine Fehler gemacht werden
und ich kenne auch kein Land auf der Welt, wo alle Probleme gelöst sind.
Das gilt selbstverständlich auch für die Euro-Krise, die war beim ersten Mal,
bei der ersten Griechenland-Krise 2010, war sie sehr schwer,
aber vor allen Dingen war sie auch deshalb schwer,
weil Deutschland beim Abschluss des Maastrichter Vertrages,
damals war Helmut Kohl noch Bundeskanzler, er war ein großer Europäer,
aber der sah sich genötigt, eine Klausel aufzunehmen, die einen Bailout ausschließt,
weil viele Menschen in Deutschland damals Angst hatten vor der Stabilität des Euro.
Wir können heute sagen, diese Angst war unbegründet.
Die Bailout-Klausel, dass kein Staat für die Schulden von anderen Staaten haftet.
Anderen Staaten haftet, ja.
Und wir können heute sagen, trotz der beiden Griechenland-Krisen,
trotz der Probleme, die es in Portugal, in Zypern, in Irland gegeben hat,
wo Programme notwendig wurden, können wir heute sagen,
dass der Euro nach wie vor stabil ist und dass der Euro in den Augen der Finanzmärkte,
die Feuerproben, alle samt erfolgreich bestanden hat.
Zweitens, es war eine schwierige Situation gegenüber unseren griechischen Freunden.
Das muss man ganz offen zugeben, denn natürlich konnten wir nicht aus internen Sitzungen berichten
und Mitglieder der eigenen Bundesregierung bloßstellen.
Ich weiß aber aus meiner täglichen Arbeit, dass Angela Merkel, das ist auch Helmut Kohl,
auch ich selbst, dass wir von Anfang an überzeugt waren,
dass wir Griechenland helfen wollen und helfen müssen,
auch im europäischen Interesse.
Und wir haben ja in der Tat dann eine große Herausforderung gehabt 2015,
als die neue Regierung mit dem Finanzminister Varoufakis insbesondere der Auffassung war,
sie bräuchte sich um irgendwelche Reformen nicht so kümmern,
sondern einfach nur Druck auf Brüssel ausüben für neue Hilfsprogramme.
Das konnten und durften wir nicht akzeptieren.
Für uns war aber immer klar, also ich rede dabei über diejenigen,
die sich immer als Freunde Griechenlands verstanden haben,
war immer klar, dass wenn Griechenland bereit ist, Reformen durchzuführen,
dass wir dann auch bereit sind, dabei zu helfen und zu verhindern,
dass es zu einer großen sozialen und staatspolitischen Krise kommt.
Griechenland ist durch die Reform gegangen.
Auch der Tal der Tränen, 26 Prozent Verlust der Wirtschaftskraft.
Wir sind immer noch nicht auf Vorkrisenniveau,
aber dennoch merkt man so einen gewissen Vibe.
Man merkt eine positive Grundstimmung im Land seit vier, fünf Jahren.
Griechenland hat knapp drei Prozent Wirtschaftswachstum,
ist damit Spitzenreiter in Europa.
Deutschland, eine rote Null oder schwarze Null sei dahingestellt,
aber es stagniert die wirtschaftliche Entwicklung.
Was würdest du vielleicht sagen, kann man auch lernen von Griechenland?
Ich glaube, wir können gegenseitig lernen.
Das Erste ist, dass Länder, die über lange Zeit sehr erfolgreich sind,
das war der Fall von Deutschland, sich manchmal auch an den Erfolg gewöhnen
und die Tendenz haben, auf ihren Lorbeeren sich auszuruhen.
Dann geht es meistens in die verkehrte Richtung
und da sind wir im Augenblick seit drei Jahren stagnierte Wirtschaftsleistung,
seit drei Jahren wandern Unternehmen ab,
weil sie gerade im energieintensiven Bereich
nicht mehr kostendeckend produzieren können.
Wir haben aber auch in Griechenland gesehen,
dass man sich aus einer solchen Situation herausarbeiten kann.
Es war im Übrigen auch in Deutschland schon einmal so,
dass wir nach 2005, also es gab in Deutschland fünf Millionen Arbeitslose,
die Ärmel hochgekrempelt haben.
Wir hatten damals mit der Regierung Gerhard Schröder zusammengearbeitet
bei den großen Wirtschaftsreformen, Agenda 2010
und das hat neue Zuversicht geschaffen.
Deutschland war über viele Jahre eines der wettbewerbsfähigsten Länder
auf der ganzen Welt.
Da müssen wir wieder hin und da können wir auch von Griechenland lernen,
weil die Griechen eben gezeigt haben, dass sie nicht wehleidig sind,
sondern dass sie tatkräftig sind und dass sie im Stande sind,
sich aus einer schwierigen Situation mit der notnötigen Solidarität aus Brüssel
auch wieder vorzuarbeiten.
Deutschland ist nicht so weit, dass es Hilfe aus Brüssel dafür bräuchte,
aber wir brauchen mehr Elan, wir brauchen mehr Bereitschaft zur Leistung
und wir müssen auch klare Prioritäten setzen.
Wenn die Wirtschaft eben nicht mehr wächst, sondern stagniert,
dann kann man sich nicht alles leisten.
Da muss man einen klaren Schwerpunkt setzen,
auf das große Thema Klimaschutz immer noch natürlich,
aber auch auf das Thema, wie bringen wir die Pferde wieder zum Saufen,
so hat es mal Karl Schiller, ein früherer Wirtschaftsminister, formuliert,
und wie können wir in Deutschland eine neue Dynamik entfachen.
Das ist die Herausforderung und deshalb wünsche ich mir sehr,
dass wir auch den Streit, den es im Augenblick zwischen den demokratischen Parteien
der Mitte sowohl innerhalb als auch außerhalb der Koalition gibt,
dass wir diesen Streit ad acta legen können
und uns auf die Maßnahmen verständigen,
die wir gemeinsam noch vor der nächsten Bundestagswahl umsetzen wollen.
Es ist noch ein Jahr Zeit und aus langjähriger Erfahrung
in Parlaments- und Regierungstätigkeit weiß ich,
in einem Jahr kann man vieles zum Besseren wenden,
wenn man den nötigen Willen hat und wenn man bereit ist,
auch parteiübergreifend zusammenzuarbeiten.
Ich gebe dir diese Motivation hier aus Griechenland,
diesen Elan, auch Leistungsbereitschaft zu sein,
gerne mit in dein Gepäck nach Deutschland zurück.
Ich darf mich ganz herzlich bedanken für das Gespräch,
dass du hier bei Yassas Adenauer gewesen bist.
Aber ich entlasse dich nicht, bevor du nicht unsere letzte Frage beantwortest,
die jeder Gast bei uns bekommt.
Nämlich du als alter Filillene,
was ist denn deine Lieblingsinsel hier in Griechenland?
Die Lieblingsinsel ist eindeutig Greta.
Und zwar weniger wegen der touristischen Möglichkeiten,
die es in großer Zahl auf hohem Niveau dort gibt,
sondern weil Greta der Geburtsort der Hochkultur in Europa ist.
Dort hat es über Jahrhunderte eine unglaubliche Mischung gegeben
aus kulturellen Einflüssen aus Mesopotamien, aus Ägypten,
aus dem griechischen Festland, aber bis hinein in den Ostseeraum,
wo Bernstein eingeführt worden ist und andere waren.
Das war eine wirkliche Hochkultur,
die mich in vielem auch an unsere modernen Gesellschaften erinnert.
Wir wären heute nicht dort, wo wir sind,
ohne die kulturelle Erfolgsgeschichte nicht nur Greta,
sondern ganz Griechenlands.
Und in Greta hat es begonnen.
Und deshalb habe ich mir für meinen Garten,
dem ich jetzt mehr Zeit widmen kann,
wunderschöne handgetöpferte Gefäße aus Greta besorgt,
die dort daran erinnern sollen,
dass unser kultureller Aufstieg für uns alle in Europa mit Greta
und damit auch mit Griechenland begonnen hat.
Ein wunderbares Schlusswort. Vielen Dank für Deine Zeit.
Und auf Wiedersehen hier in Griechenland oder speziell auf Greta.
Und damit geht es weiter mit den Nachrichten aus der Region mit der Olga.
Jastas Adenauer
Das Wichtigste aus Griechenland und der Region
Erstmals seit über einem Jahrzehnt hat die Türkei
wieder an einem Außenministertreffen der Arabischen Liga teilgenommen.
Die Anwesenheit des türkischen Außenministers Fidan
bei dem Treffen in Kairo verdeutlicht Ankaras Bestrebungen,
seine Rolle im Nahen Osten zu stärken
und die Beziehungen zu den Mitgliedstaaten der Arabischen Liga zu verbessern.
Während die einst angespannten Verhältnisse zu Ägypten,
den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien
inzwischen deutlich positiver sind,
bleiben die Beziehungen zu anderen Mitgliedern,
insbesondere Syrien, weiterhin schwierig.
Im Fokus der türkischen Diplomatie stehen besonders die Golfstaaten,
mit denen derzeit Verhandlungen über ein Freiheitsabkommen
zwischen der Türkei und dem Golfkooperationsrat laufen.
Für besondere Aufmerksamkeit sorgte der als historisch eingestufte Besuch
des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi in Ankara zum Monatsbeginn
sein erster Besuch in der Türkei seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren.
Die Beziehungen zwischen beiden Ländern hatten sich nach Ankaras Unterstützung
der Muslimbrüder in Ägypten massiv verschlechtert.
Nun signalisieren beide Seiten Interesse
an einer Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit.
Die Verhandlungen über das geplante Untersee-Kabel,
das Griechenland mit Zypern und perspektivisch auch mit Israel verbinden soll,
erreichen eine entscheidende Phase.
Mit einer Länge von 1.500 Kilometern
und einer Verlegungstiefe von bis zu 2.700 Metern
stellt das Projekt ein technisches Großvorhaben dar.
Sein strategischer Wert liegt in der Sicherstellung der Energieversorgung Zyperns.
Die Gesamtkosten des Projekts werden auf bis zu zwei Milliarden Euro geschätzt,
wobei ein Teil der Investitionen von der Europäischen Union übernommen werden soll.
Auf der internationalen Messe in Thessaloniki
betonte der griechische Premierminister Mitsotakis,
das Projekt wird umgesetzt, sobald die wirtschaftliche Machbarkeit gesichert ist
und alle geopolitischen Risiken bewältigt sind.
Experten heben die wirtschaftlichen Vorteile für die zypriotischen Verbraucher hervor,
die durch die neue Verbindung entstehen könnten.
Unterdessen hat die Türkei angekündigt,
ein eigenes Kabelprojekt zwischen dem anatolischen Festland
und dem von ihr seit 1974 besetzten Nordteil Zyperns voranzutreiben.
Die Olga ist gleich nach den Nachrichten zu unserem Stand zurück
und damit gibt es heute kein Greece to go in der gewohnten Form,
sondern wir wollen uns bedanken bei allen Personen,
bei allen Menschen, die bei uns hier in Thessaloniki am Stand gewesen sind,
die mit uns im Gespräch gewesen sind
und die insgesamt zum Erfolg des Messeauftritts der Konrad-Adams-Stiftung,
aber auch Deutschlands als Gastland
auf der 88. Handelsmesse von Thessaloniki teilgenommen haben
und diesen unterstützt haben.
Wir bedanken uns hier im Podcast bei Peter Altmaier für sein Kommen
zur Teilnahme an unserer Diskussionsveranstaltung
und hoffen, Sie liebe Hörerinnen und Hörer
konnten mit dieser speziellen Folge Neuigkeiten aus der Wirtschaft
hier aus Griechenland und auch aus der Region insgesamt mitnehmen.
Wir bedanken uns fürs Anhören der 19. Ausgabe von Yassas Adenauer.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich unseren Podcast abonnieren,
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Redaktion Vassilis Caridas-Infantis, Produktion Studio Schumann-Leipzig,
Sprecher Olga Zuzuku und Marian Wendt
und damit verabschieden wir uns hier aus Thessaloniki mit Yassas.
Yassas Adenauer
Der Podcast für Griechenland und die Region
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