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#32 „Zwischen Akropolis und Rhein: Warum die Diaspora mehr ist als nur Herkunft“

04.05.2025 33 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Episode spricht Host Marian Wendt mit Phedon Codjambopoulo, Präsident der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung, über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland, die Rolle der griechischen Diaspora und aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen.

In dieser Episode spricht Host Marian Wendt mit Phedon Codjambopoulos, Präsident der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung, über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland, die Rolle der griechischen Diaspora und aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen.


🇬🇷 Nachrichten aus Griechenland und der Region
Neuer Kanzler, neue Chancen
Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis trifft beim EVP-Kongress in Valencia auf den neuen deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz. Im Fokus: Strategische Partnerschaften und Digitalisierung.
Bahnreform: Griechenland investiert in Sicherheit
Ein neues Gesetz bringt Überwachungssysteme und strengere Tests für Lokführer – Ziel ist ein sicheres und modernes Eisenbahnnetz.
Eine Monatsmiete zurück – dauerhaft
Mehr als 900.000 Mieterhaushalte in Griechenland sollen künftig jährlich eine Monatsmiete vom Staat erhalten. Die Maßnahme ist einkommensabhängig und soll vor allem junge Menschen entlasten.
Gedenken an die Opfer des Holocaust
Die neu enthüllte „Wand der Namen“ in der Synagoge Beth-Shalom in Athen erinnert an die deportierten und ermordeten jüdischen Bürger der Stadt während der deutschen Besatzung.


💬 Im Gespräch: Phedon Codjambopoulos

Vom Radiologen zum Wirtschaftsbotschafter

Die griechische Diaspora hatte im wirtschaftlichen Bereich keine Stimme – das wollten wir ändern.
Phedon Codjambopoulos erzählt von seiner Biografie – geboren in Kairo, Studium in Düsseldorf, ärztlich tätig in Köln – und seiner Motivation zur Gründung der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung.

Wirtschaftliche Brückenbauer
Deutschland ist Griechenlands wichtigster Partner bei Investitionen.
Die deutsch-griechische Zusammenarbeit sei stabil und intensiv, aber es gebe bürokratische Hürden, gerade für mittelständische Unternehmen.

Bürokratieabbau als Schlüssel
Die Gründung eines Unternehmens dauert zu lange, und Gerichtsverfahren können Jahre beanspruchen.
Codjambopoulos fordert eine Beschleunigung von Verwaltungsprozessen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter zu stärken.

Integration und Identität
Die Griechen in Deutschland sind eine gut integrierte, unauffällige Minderheit.
Er beschreibt die griechische Community als Brückenbauer zwischen beiden Ländern – tief verwurzelt und trotzdem heimatverbunden.

Verhältnis zur türkischen Community
Uns vereint das Meer – das Menschliche überwiegt oft das Politische.
Codjambopoulos berichtet über positive Alltagsbegegnungen mit türkischstämmigen Deutschen – trotz geopolitischer Spannungen.

Persönlicher Abschluss: Lieblingsinsel
Chios – historisch, emotional und familiär bedeutsam.
Die Insel seiner Urgroßmutter liegt Phedon Codjambopoulos besonders am Herzen – auch wegen historischer Erinnerungsstücke wie einer dreiteiligen Ikone und einem osmanischen Säbel.

📬 Kontakt:
Fragen, Anregungen oder Feedback zur Folge bitte an:
yiasasadenauer@kas.de

Transkript

Wie sicher ist das griechische Eisenbahnnetz? Welche Rolle spielt die griechische Diaspora in Deutschland? Und warum erhalten plötzlich 900.000 Mieter in Griechenland eine Monatsmiete zurück? Um diese Fragen und Themen geht es heute und damit ein herzliches Willkommen zur 32. Folge von Yiasas Adenauer, dem Podcast der Konrad-Adenauer-Stiftung für Griechenland und die Region. Mein Name ist Marian Wendt und ich freue mich, dass ihr heute nach der Osterpause wieder dabei seid. Nach Ostern sind alle wieder zurück in Athen, die Straßen voll, im Parlament wird gearbeitet und auch die Stimmung in der Wirtschaft geht nach oben mit den vielen Touristen, die nicht nur an Ostern da hergekommen sind nach Griechenland, sondern auch gefühlt geblieben sind. In dieser Folge geht es deshalb aufgrund der positiven Wirtschaftslage auch um wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Griechenland, aber auch um das, was junge Menschen und Unternehmen gerade konkret bewegt. Ich freue mich. Ich freue mich besonders heute über Phedon Codjambopoulos, dem Präsidenten der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung. Mit ihm werde ich sprechen über die Potenziale deutsch-griechischer Wirtschaftsbeziehungen, die Rolle der Diaspora und auch die Chancen für Unternehmen in beiden Ländern. Doch bevor wir ins Interview einsteigen, kommen wie immer die wichtigsten Nachrichten der letzten Woche. Und dazu jetzt rüber zur Olga.
SPEAKER_00
00:01:34
Neuer Kanzler, neue Chancen. Mitsotakis trifft März. Beim EVP-Kongress in Valencia traf Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis am letzten Dienstag den neuen deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz. Im Mittelpunkt des Gesprächs die enge Zusammenarbeit in Verteidigungs- und Wirtschaftsfragen auf europäischer Ebene. Mitsotakis begrüßte besonders Merz' Pläne für ein eigenständiges Digitalministerium, ein Ansatz, der sich in Griechenland... bereits bewährt hat. Beide Seiten betonten ihren Willen zu einer strategischen Partnerschaft für ein stabiles und digitales Europa. Neustart für die Bahn. Griechenland setzt auf Sicherheit und Technik. Das griechische Verkehrsministerium setzt mit einem in dieser Woche veröffentlichten Gesetz umfassende Maßnahmen zur Modernisierung und Sicherung des Bahnverkehrs um. Herzstück ist dabei ein zentrales Überwachungssystem. Mit Zugriff auf alle Stellwerke, unterstützt durch das Echtzeitordnungssystem HEPUS. Lokführer und Personal müssen künftig strengere Eignungstests und Simulationstrainings absolvieren. Investitionen in Infrastruktur sollen europaweite Standards erreichen. Das Ziel der Regierung ein sicheres, modernes und verlässliches Eisenbahnsystem in Griechenland.
SPEAKER_01
00:03:05
Und das waren die Nachrichten. Wir aus Griechenland und der Region im ersten Block mit der Olga. Ihr habt es schon in den Nachrichten gehört. Mitsotakis und Friedrich Merz haben sich am Rande des EPP-Parteitages in Valencia getroffen. Es wird auch ein weiteres Gespräch geben am 13. Mai in Berlin. Da wird Kyriakos Mitsotakis vom CDU-Wirtschaftsrat ausgezeichnet für die Wirtschaftspolitik seines Landes. Und wie es um die deutsch-griechischen Wirtschaftsbeziehungen steht und auch die deutsch-griechische Stammarbeit, die ja auf jeden Fall politisch sehr gut zu werden scheint, auch mit einem guten Verhältnis von Friedrich Merz und Kyriakos Mitsotakis. Um dieses Verhältnis und um die Beziehung dazu habe ich jetzt einen besonderen Gast hier bei uns, nämlich Fhedon Codjambopoulos. Er ist Präsident der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung. Lieber Fhedon herzlichen Gruß nach Köln.
SPEAKER_02
00:03:59
Ja, herzlichen Gruß zurück nach Athen, lieber Marian. Ich freue mich, dabei zu sein.
SPEAKER_01
00:04:04
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Und wir dieses Gespräch führen können. Lieber Fhedon , du hast eine sehr bewegte Biografie. Und ich glaube, es ist wichtig für unsere Hörer, dass sie zunächst einmal dich selber verstehen und auch welchen Hintergrund du hast und warum du als Radiologe Präsident einer Wirtschaftsvereinigung bist und, ich sage mal so, auch die Erfahrung von zwei griechischen Diasporas im Ausland hast. Vielleicht kannst du kurz deinen Werdegang vorstellen, wie du nach Köln gekommen bist.
SPEAKER_02
00:04:36
Ja, also zunächst bin ich in Kairo geboren und zwar von zweiter Generation sozusagen von meinem Vater und dritter Generation von meiner Mutter. Ich habe dann die Deutsche Evangelische Oberschule in Kairo besucht und dort mein Abitur gemacht und kam dann nach Deutschland, nach Düsseldorf, um Medizin zu studieren. 1993, nach Abschluss meiner Facharztausbildung, habe ich mich in Köln niedergelassen und bin seitdem Partner in einer größeren radiologischen Praxis, die auch an einem Krankenhaus angebunden ist und somit im Prinzip bei einem Mitarbeiterstamm von ungefähr 40 Leuten mittelständischer Betrieb. Das Interesse an einer deutsch-hellenischen Wirtschaftsvereinigung war im Prinzip eine Idee von mir und einigen anderen Unternehmern und Freiberuflern im Raum Rheinland, also Köln-Bonn-Düsseldorf gewesen, 1993, das gleiche Jahr meiner Niederlassung. Und zwar aus dem Gelände. Gedanken, dass die griechische Diaspora in Deutschland auf vielen Ebenen organisiert war, aber im wirtschaftlichen Bereich keine Stimme hatte. Wir hatten damals so Pi mal Daumen gerechnet, wie viele Unternehmer, mittelständische Betriebe es in Deutschland gibt. Die Informationen waren nicht so gravierend. Es kam aus dem Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim eine Information, Allerdings... dass es ungefähr damals 23.000 kleine und mittelständische Betriebe in griechischer Hand gibt. Diese Zahl beträgt jetzt mehr als 30.000. Diese 30.000 beschäftigen ungefähr 100... 50.000 Menschen und machen einen Umsatz von über 15 Milliarden Euro. Damit tragen sie auch enorm zum Reichtum des Landes bei. Und dieses... Das wollten wir damals organisieren und diesem Potenzial eine Stimme geben. Und so entstand die deutsch-hellenische Wirtschaftsvereinigung.
SPEAKER_01
00:07:50
Also Sie sehen, wenn es jemanden gibt, mit dem man über die deutsch-griechische Wirtschaftsbeziehung und die griechische Diaspora sprechen kann, nicht nur Deutschland, dann ist es Federn. Federn, du bist ja schon sehr lange Präsident der deutsch-hellenische Wirtschaftsvereinigung. Du hast die... Aufbauarbeit geleistet für deine Praxis in den letzten Jahrzehnten. Und du hast natürlich die Höhen und Tiefen mitbekommen. Deine Einschätzung, wo stehen wir heute in den Beziehungen und natürlich auch vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten 10 bis 15 Jahren mit der Staatsschulden- und Finanzkrise?
SPEAKER_02
00:08:27
Also die deutsche-griechischen Beziehungen möchte ich heute als stark und stabil beschreiben. Wir hatten wirtschaftliche... Wir hatten wirtschaftliche Krisen und Herausforderungen in beiden Ländern. Aber wir erleben jetzt eine neue Ära der Kooperation, die mich sehr optimistisch stimmt. Deutschland ist weiterhin einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Griechenlands, sowohl im Handel als auch bei Investitionen. Bei den Investitionen ist Griechenland die Nummer eins. Also weit entfernt von den USA zum Beispiel oder anderen. Ländern. Herausforderungen bestehen in der Harmonisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Überwindung von Bürokratie in beiden Ländern. Im gesellschaftlichen Bereich, wie zum Beispiel in Bildung, Migration und Integration, müssen wir sowohl in Deutschland als auch in Griechenland Brücken schlagen, um die Freundschaft zu finden. Das ist eine wichtige Sache, die für uns an erster Stelle steht. Und auch wichtig ist, im Bereich der jungen Generationen intensiver zusammenzuarbeiten und diese einzubeziehen.
SPEAKER_01
00:10:02
Was glaubst du, könnten da konkrete Beispiele auch sein, was jetzt da angegangen werden muss? Sprichst du natürlich klar, Bürokratieabbau ist immer wieder ein Stichwort, wird immer wieder genannt. Gibt es da konkrete Beispiele, weswegen die deutsch-griechische Zusammenarbeit behindert wird? Ich denke auch immer, die Hörer denken ja immer, es ist die Europa, es ist die EU, es ist ja vieles auch harmonisiert. Also wenn, dann müsste die Bürokratie in allen Ländern ähnlich sein, gleich sein. Was sind da deine Erfahrungen aus dem Alltag deiner Mitglieder, woran es da noch hakt?
SPEAKER_02
00:10:37
Also das ist... Das ist ein immer wiederkehrendes Problem, dass viele Unternehmer aus Deutschland und Griechenland investieren möchten oder etwas aufbauen möchten, eine Dependance gründen möchten und damit sehr viele bürokratische Hürden berechnen müssen, was das Arbeitsrecht angeht, was das Steuerrecht angeht. Was das Gesellschaftsrecht angeht, das sind Riesenprobleme, der Ablauf für die Gründung einer Gesellschaft dauert zu lange. Sollte es Probleme geben, wenn man vor den Gerichten landet, dann dauern die Gerichtsentscheidungen jahrelang. Also das sind Sachen, die nicht helfen. Das gilt natürlich, ich spreche hier hauptsächlich von Unternehmen im mittelständischen Bereich. Die großen Firmen, da geht es immer über eine besondere Gesellschaft, meistens Invest in Griechenland oder über das Büro des Ministerpräsidenten und dann geht das viel schneller. Wenn man so an der großen... ...unternehmerischen Kooperationen denkt, wie RWE und DI, wie Telekom und OT, wie VW auf den griechischen Inseln und so weiter oder Fraport oder so.
SPEAKER_01
00:12:26
Also die klassischen Themen, die man natürlich auch im Alltag in den wirtschaftspolitischen Debatten in Deutschland natürlich hört, schneller gründen, digital gründen, die Schaffung digitaler Unternehmen. Da ist ja Zypern auch und Griechenland schon ein Stück weiter, dass es ja komplett digital sind und Gründungen natürlich auch Züge vonstatten gehen. Lass uns vielleicht nochmal zu diesem Punkt natürlich feststellen, deutsch-griechische Wirtschaftsbeziehungen sind gut, sie sind sehr intensiv, aber sie könnten noch optimierter werden, indem man im Alltag die Hürden senkt. Vielleicht den Blick mal auf die Gemeinschaft, auf die Gesellschaft, denn letztlich machen ja diese Beziehungen die Menschen aus und auch in den Firmen arbeiten ja Menschen. Wie würdest du sagen... Ja, fühlen sich die Griechen in Deutschland zuhause? Viele sind ja dort geboren. Ist die Frage, ob sie überhaupt Deutsche sind. Sind sie Griechen, Deutsch-Griechen? Wir haben ja auch Menschen, die in Deutschland geboren sind und danach Griechenland eher auswandern theoretisch, denn zurückkommen kann man ja schwer sagen, weil sie in Deutschland ja geboren, aufgewachsen und sich auch sozialisiert haben. Wie würdest du da den Zustand beschreiben? Wo sind so die Themen, die die griechische Diaspora in Deutschland bewegt?
SPEAKER_02
00:13:41
Also erstmal muss man feststellen, dass wenn man von griechischer Diaspora in Deutschland spricht, wir heute über eine halbe Million griechischstämmige sprechen. Damit ist die griechische Diaspora in Deutschland die größte in Europa und damit spielt sie natürlich auch eine sehr wichtige Rolle als Brückenbauer, zwischen Griechenland und Deutschland. Zwischen beiden Ländern. Die Griechen in Deutschland sind gut integriert. Ich zitiere hier Frau Dr. Scarpellis-Berg, die langjährige Präsidentin der Vereinigung der Deutschen Griechischen Gesellschaften, die damals den Ausdruck der unauffälligen Minderheit prägte. Mit Recht. Die Griechen leben in Deutschland, sind integriert, sind sehr fleißig gewesen. Wir haben unter der griechischen Bevölkerung den niedrigsten Krankenstand zum Beispiel immer gehabt. Und die lebten friedlich und in voller Freundschaft mit der deutschen Bevölkerung. Überhaupt keine Probleme.
SPEAKER_01
00:15:12
Wie würdest du denn selber aus der Innenwirkung heraus der Diaspora, der du ja selber zur griechischen Diaspora in Ägypten gehörtest, fast zur deutsch-griechischen Diaspora in Ägypten, auch weil du ja die deutsche Schule besucht hast, wie würdest du sagen, fühlen sich die Griechen selber, diesen Teil des Landes, fühlen sich als Deutsche oder ist dann doch immer die Sehnsucht nach der Heimat, wie auch Udo Jürgens in seinem Lied »Griechischer Wein« besungen hat, ist die noch da oder gibt es da auch Veränderungen? Ja, das wissen ja glaube ich viele nicht, dass das Lied »Griechischer Wein« die Geschichte der griechischen Gastarbeiter erzählt und nicht ein Partylied für Mallorca ist.
SPEAKER_02
00:15:54
Genau, das ist schön gesagt, ja. Ja, ich würde das so darstellen, also die griechische Diaspora um das Mittelmeerbecken und dann später ab den 60er Jahren in Zentraleuropa ist im Prinzip relativ eng an das Land gebunden, im Gegensatz zu der griechischen Diaspora in Amerika oder in Australien, die sehr weit weg ist. Also die Griechen in Zentraleuropa, genauso wie um das Mittelmeerbecken, fühlen sich sehr nah an Griechenland, Griechenland ist immer im Fokus, aber nicht desto trotz, also es gibt diese Ambivalenz, dass die griechische Diaspora zum Beispiel beim Fußball spielt. Sie freuen sich natürlich sehr, wenn Griechenland spielt, dann sind sie für Griechenland. Wenn Griechenland mit Deutschland spielt, dann fühlt man sich natürlich immer komisch, weil der eine ist Fan von Borussia Dortmund, der andere vom FC Köln, der dritte von Bayern München. Weil sie ja so in ihrer lokalen Begebenheit integriert sind und da fangen natürlich die Probleme an.
SPEAKER_01
00:17:25
Also das wäre das Schönste, wenn es dann nur beim Fußball die Probleme gibt, wenn man sich intensifiziert und das ist ja eigentlich ein positives Beispiel. Ja. Vielleicht die Frage auch, weil wir das natürlich oft haben, man kommt ja, wenn man über Griechenland spricht und die Region, ja nie an der Türkei vorbei. Und es gibt ja auch die Themen und ich weiß, dass du dich auch persönlich sehr mit dem Thema beschäftigst. Die türkische Diaspora hat ja ein anderes Auftreten. Vielleicht würde ich sagen, hat auch eine andere Wahrnehmung in der deutschen Gesellschaft, ist natürlich viel größer mit ungefähr dreieinhalb Millionen Türken, türkischstämmigen Menschen, die in Deutschland leben. Wie würdest du da beschreiben, gibt es da ein Verhältnis, gibt es da Themen? Hat man da eigentlich ein freundschaftliches Miteinander, weil man ja auch eine gewisse, nicht Religion, aber zumindest eine gewisse lokale Kultur auch teilt. Die mediterrane Art ist ja doch in Teilen ähnlich, gerade wenn es Türken sind, die ja auch von der Kleinasiatischen Küste kommen. Oder gibt es da eigentlich die Spannungen zwischen den Gruppen, die auch hier vor Ort in der Region politisch auftreten? Spiegelt sich das wieder oder findet man das wieder?
SPEAKER_02
00:18:39
Tja, das ist ein sehr interessantes Thema, was du ansprichst. Und was eine wichtige Rolle spielt in den deutsch-griechischen Beziehungen allgemein. Wir sprechen ein bisschen von Wirtschaft, wir sprechen von Kultur, aber wir sprechen auch von politischen. Ich werde mit einem kleinen Beispiel, was ich in meinem Alltag erlebe. Meine Praxis befindet sich in einem Stadtteil von Köln, wo es eine große türkische und auch italienische Community gibt. Und meine Mitarbeiter und ich auch haben die Erfahrung gemacht, dass türkische Patienten, die wissen, dass ein Grieche in dieser Praxis als Arzt tätig ist, Termine nach mir fragen, überraschenderweise. Die türkischen Frauen zum Beispiel oder die türkischen Patienten, die in die Praxis kommen, die bitten um Termine zu mir. Also die wollen zu mir kommen. Woher kommt das? Was glaubst du, woran das liegt? Das liegt darin, dass die erwarten, dass ich sie mit einem anderen Auge, mit einer anderen Mentalität konfrontiere als ein Zentraleuropäer. Ich denke, das ist schon der entscheidende Grund. Also una faccia, una raccia, wie man so nennt. Ja, una faccia, una raccia ist schwierig, aber so ungefähr. Also uns vereint das Meer sozusagen. Wir sind ja ewige Nachbarn und das Politische wollen wir dann vergessen. In diesem Augenblick. Da geht es um das Menschliche. Und das Menschliche ist auch sehr positiv. Also zum Beispiel eine Mitarbeiterin von mir, es ist jetzt gang und gäbe in der Türkei, dass sich viele Türken ihre DNA bestimmen lassen. Und eine Mitarbeiterin von mir kam, eine türkischstämmige Mitarbeiterin von mir, die ist in zweiter Generation inzwischen in Deutschland, kam zu mir und sagte, Doktor, Sie werden sich überraschen. Sag ich, was ist denn los? Sie sagte, mein Mann und ich haben unsere DNA bestimmen lassen. Und das Ergebnis ist gekommen, ich bin zu 25% Griechen. Sag ich, ja, das ist ja schön. Nein, ich wollte nur sagen, ich wollte damit eine Brücke bauen, zu dem, was du gesagt hast. Und wollte jetzt sagen, dass wir sehr gespannt sind auf die zukünftige christlich-demokratische, sozialdemokratische schwarz-rote Regierung. Weil da kommt ja eine große Herausforderung auf uns zu. Die DAW hat sich entschieden vor zwei Jahren auf einer Strategietagung, dass sie sich auch ein bisschen um die Politik beschäftigt. Und jetzt sind wir überrascht worden, dass das Auswärtige Amt mit Johann Wadephul und Serap Güler, besetzt wird. Das ist natürlich eine ganz andere Windrichtung, die ins Auswärtige Amt kommt. Mit der Ampelregierung waren wir an sich zufrieden, auch mit der Performance von Annalena Baerbock, was die griechisch-türkischen Beziehungen anging. Und die Entscheidung der Ampelregierung, insbesondere von Bundeskanzler Scholz, vor Ende seiner Amtszeit, dass er die Waffenverkäufer, die Eurofighter-Verkäufer an die Türkei untersagt, war natürlich ein positiver Schritt. Man ist immer überrascht, dass Johann Wadephul, sobald er auf das Thema Türkei angesprochen wird, immer von einem wichtigen und verlässlichen Partner spricht. Und da frage ich mich natürlich, die deutsche Öffentlichkeit wird so marginal über die Türkei informiert, über die Medien. Aber wir, die als Deutsch-Griechen ständig darüber lesen, müssen wir uns natürlich fragen, was meint ja immer der Johann Wadephul mit verlässlicher Partner? Also ein Partner, der S-400 aus Russland kauft als NATO-Partner, der die Sanktionen der EU gegenüber Russland nicht akzeptiert, der Kriegsdrohungen in Griechenland, Zypern und auch Israel jetzt ausspricht, der französische Fregatten im Mittelmeer bedroht oder die Hamas, die Hezbollah und die ISIS und die Muslimbrüder unterstützt. Also das sind natürlich Fragen, die man sich hier stellen muss. Und dann müssen wir hören und sehen, was das Auswärtige Amt jetzt bringen wird.
SPEAKER_01
00:24:41
Das auf jeden Fall. Ich glaube, es ist ja oft so, dass wenn man natürlich in der Opposition auch Positionen hat, die natürlich auch nochmal gewisse Veränderungen unterliegen, wenn man auch in der Regierung ist, wenn auch das Wissensspektrum sich erweitert. Und ich glaube auch, wenn natürlich die griechische Regierung und die griechischen Partnerorganisationen, wie zum Beispiel eure Wirtschaftsvereine, natürlich auch nochmal Dinge ansprechen und einen neuen Blick geben. Nichtsdestotrotz bleibt natürlich die Türkei de facto ein großes Land mit 90 Millionen Einwohnern und ein sicherlich schwieriger Nachbar, wenn auch irgendwie auch Partner. Ja. Und es muss Ziel sein von uns allen, dass die griechisch-türkischen Beziehungen natürlich nicht eskalieren, sondern eher auf einem Akzeptanz, auf einem respektierten Miteinander sich, glaube ich, weiterentwickeln, auch vor dem Hintergrund der notwendigen Ausbau auch der europäischen Sicherheitsarchitektur.
SPEAKER_02
00:25:37
Ja, die europäische Sicherheitsarchitektur ist ein wichtiges Thema. Aber die Frage ist natürlich, an der europäische Sicherheitsarchitektur teilnimmt, muss auch wirklich zuverlässig sein. Exakt, exakt. Und ich habe immer propagiert, auch seit 2004, wo es um die Olympischen Spiele in Athen geht, da wurden wir in ganz Deutschland eingeladen, um die Olympischen Spiele zu bewerben. Und da habe ich immer betont, dass die Beziehungen, also Griechenlands Beziehungen zur Türkei, müssen gute Beziehungen sein, weil Griechenland ist im Prinzip das erste Land, was von einer guten Beziehung zur Türkei profitieren wird. Wenn es gute Beziehungen mit der Türkei gibt, wer wird denn an die türkische Küste gehen, um unternehmerisch tätig zu werden oder einen Betrieb zu eröffnen oder so? Die Griechen, weil die Infrastruktur existiert schon, ob in Konstantinopel oder auf Smyrne, da gibt es Konsulate, da gibt es vieles, was dafür spricht, dass man sich da, dass man sich da niederlässt.
SPEAKER_01
00:27:20
Ich sehe, das ist ein positiver Ausblick. Den sollten wir auf jeden Fall im nächsten Gespräch mal vertiefen, diese Fragestellung, nämlich dass von guten europäisch-türkischen Beziehungen die Griechenland erst profitieren. Lieber Fedon, wir sind damit am Ende unseres Gesprächs angekommen. Und da du das erste Mal bei uns im Podcast bist, von Yassas Adanao, dem Podcast für Griechenland und die Region, weißt du, dass eine letzte Frage immer auf unseren Gast wartet, nämlich was ist denn die Lieblingsinsel? Also was ist die Lieblingsinsel von Fedon Kotschampopoulou in Griechenland?
SPEAKER_02
00:27:52
Das ist ganz einfach für mich, auch wenn meine Oma mütterlicherseits aus Samos stammt, aber nichtdestotrotz, meine Uroma stammt aus Chios. Und ich habe eine besondere Beziehung zu dieser Insel, weil die historisch und historisch-emotional so wichtig für mich ist, wie die Griechen ist. Und ich zwei Relikte von meiner Uroma habe und zwei ein sehr schönes Triptychon, also eine dreifache Ikone sozusagen. Eine Dreifaltigkeit? Nein, das ist eine Ikone, die man zuklappen kann, also die zwei Türen hat. Ah, ja. Und einen alten türkischen Säbel, auf dem eine Sure vom Koran drauf geschnitzt ist, die ich ja, weil ich in Kairo geboren bin, auch lesen kann und verstehen kann. Und deshalb meine Lieblingsinsel ist Chios.
SPEAKER_01
00:29:09
Chios, wohl wahr, mit der vielen Geschichte in den Aufständen gegen die Osmanen, aber natürlich auch der Mastix, der sehr bekannt ist. Genau. Dafür vielen herzlichen Dank, lieber Fedon, für dein Gespräch. Beste Grüße nach Köln. Und wir machen jetzt hier weiter mit den Nachrichten Teil 2 und der Olga. Grüße, Annettin.
SPEAKER_00
00:29:34
Eine Monatsmiete vom Staat. Griechenland entlastet Mieterhaushalte. Mehr als 900.000 Mieter in Griechenland sollen künftig einmal im Jahr eine Monatsmiete zurückerstattet bekommen. Das kündigte Premierminister Mitsotakis in der Osterwoche in den sozialen Medien an. Die Unterstützung gilt für Hauptwohnsitz und Studenten unter Berücksichtigung bestimmter Einkommenskriterien. Die Maßnahme ist dauerhaft angelegt und wird immer im November ausgezahlt. Finanziert wird sie aus Haushaltsüberschüssen als Teil einer Politik, die gezielt die Situation junger Menschen stärken soll. Gedenken in Athen. Wand der Namen erinnert an Holocaust-Opfer. In der Synagoge Beth-Shalom in Athen ist vergangene Woche ein neues Denkmal enthüllt worden. Die Wand der Namen, eine bewegende Geste des Gedenkens an die jüdischen Bürger der Stadt, die während der deutschen Besatzung zwischen 1943 und 1944 deportiert und ermordet wurden. An der Zeremonie nahmen Vertreter des griechischen Staates, der jüdischen Gemeinde Athen und des diplomatischen Korps teil. Die Namen der Opfer sind nun dauerhaft im Gebetsraum der Synagoge sichtbar als Mahnung und als Akt der Ehre. Der Präsident der jüdischen Gemeinde Athen, Alberto Starabulos, sagte bei der Einweihung, diese Wand spricht für all jene, deren Stimmen gewaltsam zum Schweigen gebracht wurden. Sie gibt ihnen ihre Namen, ihre Geschichte und ihre Würde zurück. Die Gedenkwand ist nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern ein eindringlicher Appell gegen das Vergessen, gerade jetzt, 80 Jahre nach den Verbrechen.
SPEAKER_01
00:31:28
Und das war Yiasas Adenauer, der Podcast für Griechenland und die Region. Ein herzliches Dankeschön an meinen heutigen Gast, Phedon Codjambopoulos, für das erkenntnisreiche Gespräch über neue Chancen, digitale Ambitionen und die Zukunft der deutsch-griechischen Wirtschaftspartnerschaft. Wir haben heute aus meiner Sicht gesehen, Zusammenarbeit entsteht nicht von allein. Sie braucht Vertrauen, gute Ideen und starke Netzwerke. Und die griechische Diaspora in Deutschland ist dabei ein verbindendes Element mit großem Potenzial. Wenn euch also diese Folge gefallen hat, abonniert unseren Podcast, hinterlasst uns eine Bewertung, empfehlt uns gerne weiter und drückt natürlich gerne den Like-Button. Fragen, Hinweise oder Themen, schreibt wie immer gerne an yiasasadenauere@kas.de Yassas mit einem S. Die Adresse findet ihr natürlich auch in den Shownotes. Ein besonderer Dank geht an die Redaktion, Vasilis Karydas-Yfantis, an die Produktion, Studio Schumann Leipzig und an unsere Sprecherin, Olga Tsotsokou, für die Nachrichten. Wir hören uns wieder in zwei Wochen. Bleibt interessiert und informiert. Herzliche Grüße aus Athen. Euer Marian Wendt.

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